Zwei Fakten können nur zu einer Schlussfolgerung führen:
Fakt 1: Unsere Flitterwochen haben wir in Deutschland geplant
Fakt 2: Wir haben uns für teuer Geld eine Anhängekupplung und einen Fahrradträger gekauft
Schlussfolgerung: Die Fahrräder kommen mit in die Flitterwochen!
Zwar hatten wir schon am Tag vor der Hochzeit so gut wie alle Sachen gepackt, aber wie es dann so ist… Am Tag nach dem rauschenden Fest wurde nur noch die Deko aus der Location abgeholt, das Reisegepäck ins Auto gewuchtet und es ging los an die Nordsee. Unsere vier Fahrradtaschen ersetzten uns den einen oder anderen Koffer und waren gut gefüllt mit Wäsche und anderen Sachen. Und als wir dann im Auto saßen hing mein Fahrradhelm samt Brille leider immer noch an der Garderobe. Tja nun. Man kann nicht an wirklich alles denken.
Neben einer gemeinsamen Radtour hatte ich auch ein, zwei Solo-Radtouren eingeplant. Immerhin konnte ich mir für diese den Helm meiner Frau ausleihen, der größentechnisch erstaunlich genau auf meinen Kopf passte. Aber meine Radbrille vermisste ich schmerzlich, schließlich sind meine Augen ziemlich empfindlich, wenn es um Fahrtwind geht. Für diese eine Woche einen neuen Helm zu kaufen, wo ich doch zwei Stück zuhause habe, kam nicht infrage. Aber in eine günstige Brille hätte ich schon ein paar Euro investiert. Da steht eh mal wieder eine Neuanschaffung an.
Und so führte mich meine erste Radtour nicht direkt an die Nordseeküste, sondern erst mal nach Niebüll in ein Radgeschäft. Das sah auf den ersten Blick auch super aus. Für so einen relativ kleinen Ort war es riesig. Es ist vermutlich früher mal eine Auto-Werkstatt oder gar ein Autohaus gewesen. Auch die Verkäuferin war nett und hilfsbereit. Wobei sie erst ziemlich verdutzt geguckt hatte, als ich die Konversation mit einem “Hallo, ich habe ein Problem. Ich habe am Wochenende geheiratet.” eröffnet hatte. Als ich dann von dem Trubel und dem schnellen Aufbruch in die Flitterwochen erzählte, erkannte sie, was denn eigentlich mein “Problem” war und musste herzlich lachen. Weiterhelfen konnte sie mir aber dennoch nicht: im ganzen Geschäft gab es keine Fahrradbrille zu kaufen. An der Wand mit gut 50 Helmen hingen zwar ein paar an den Helmen dran, diese wurden aber auch nur als Set verkauft.
Entsprechend frustriert setzte ich meinen Weg fort und beschloss, die beiden anderen Radläden in Niebüll nicht auch noch abzuklappern. Von jetzt an sollte der Spaß im Vordergrund stehen, ewiges Juckeln durch den (relativ) dichten Verkehr war nicht so meins. Wenn ich schon mal so weit im Norden bin, kann ich doch auch gleich bis nach Dänemark fahren, oder? Ist doch nur ein Katzensprung. Und der Gegenwind war auch durchaus erträglich. Die scheinende Sonne tat ihr übriges, die Fahrt so angenehm wie möglich zu gestalten.
Also machte ich mich auf den Weg in Richtung Grenze und war gespannt, was mich da denn erwarten würde. Aber da war nix – außer einem Schild und ein paar wehenden Fahnen. Gelobt sei die Europäische Union! Und damit verlief mein aller erster Grenzübertritt auf dem Rad maximal unaufgeregt.

Das erste, was mir in Dänemark aufgefallen ist: der Radweg wurde besser und zudem durch einen Mittelstrich in zwei Fahrtrichtungen geteilt. Doch schon kurz nach der Grenze bog ich in Richtung Westen ab und wollte mich, ohne groß auf die Karte zu schauen, in Richtung Nordseeküste vorarbeiten. Nach nur wenigen Kilometern war mein “Abenteuer Dänemark” ebenso schnell beendet, wie es angefangen hat. Auch der zweite Grenzübertritt war nur anhand der Beschilderung zu merken.
Etwas überrascht war ich dann kurz nach der Rückkehr auf deutsches Staatsgebiet, eine ganz besondere Tankstelle zu sehen: sie war in dem gleichen Rot-Gelb gehalten wie der Fahrradladen, der mir keine Brille verkaufen konnte. Stellt sich raus: die Tankstelle ist auch Teil dieses Unternehmens, das mehrere Filialen hat. Am Tag vor der Heimreise waren wir dort tanken. Schon witzig wenn man tankt und dann die “Tankstelle” zum Bezahlen betritt, diese aber ausgestattet ist wie ein Fahrradladen. Überall standen Fahrräder und Zubehör (aber eben keine Radbrillen….).

Da ich nicht auf die Karte geschaut hatte, bin ich ein paar Kilometer weiter schon wieder über die deutsch-dänische Grenze gefahren. Wer es nicht besonders eilig hat, der sollte statt über die Autobahn über den Grenzübergang in Rosenkranz nach Dänemark reisen. Auf der deutschen Seite gibt es ein reetgedecktes Gasthaus, das mich mit seinen leckeren Speisen verführen wollte und genau auf der Grenze gibt es einen mit Schilf bewachsenen See, der für mich ein Highlight auf meinen Touren war.

Da ich nicht wieder nach Dänemark, sondern an die Nordsee wollte, habe ich dann doch mal auf die Karte geschaut und gesehen, dass der Zugang zur Nordsee von dort aus einen ziemlichen Umweg bedeutet hätte, wenn ich auf der dänischen Seite geblieben wäre. Also bin ich umgekehrt und etwas später in Deutschland am Deich gelandet.
Tags zuvor hatte ich eine anscheinend neue Funktion meines Radcomuters (Wahoo Elemnt Roam) entdeckt: man kann dort ein festes, frei wählbares Intervall einstellen (Zeit oder Distanz), nach dem im Display eine Benachrichtigung erscheinen soll. Praktisch, schließlich vergesse ich oftmals auf langen Touren, regelmäßig einen Snack zu mir zu nehmen, damit ich bei Kräften bleibe. Nun werde ich alle 30 Kilometer automatisch daran erinnert, doch ein wenig Kalorien zu mir zu nehmen. Hat sich auf der ersten Praxis-Tour durchaus bewährt – auch wenn ich es in der Folge des öfteren einfach weggeklickt habe…;-)

Zum Ende der Tour hin sollte ich dann Bekanntschaft mit den Gepflogenheiten von Landwirtschaftswegen in Deichnähe machen – und mit Schafen. Ich muss zugeben: anfangs war ich ein wenig skeptisch ob ich wirklich einfach so mit dem Rad zwischen all den Schafen durchfahren kann, die da Gras kauend am Wegesrand standen und lagen. Aber schon nach wenigen Sekunden habe ich gemerkt, dass wir bei geruhsamer Fahrt füreinander keinerlei Gefahr darstellten.

Gewöhnungsbedürftiger waren da schon die ganzen Absperrgitter. Sie sorgten dafür, dass die Schafe jeweils auf einem bestimmten Teil des Deichs grasen konnten und nicht wild durch die Gegend liefen. Ordnung muss sein, klar. Jeder Landwirt soll genau wissen, wo seine Schafe stehen. Für Radfahrer ist das aber schon ein wenig nervig. Alle paar hundert Meter muss man ein solches Tor umständlich öffnen. Mit ein wenig Glück konnte ich dann mein Rad ohne abzusteigen durch die Hindernisse kutschieren, denn die Tore fallen hinter einem automatisch wieder zu. Aber kaum war ich wieder im richtigen Tritt, konnte ich auch schon das nächste Tor sehen. Aber selbst daran gewöhnt man sich.
Alles in allem war diese erste Radtour in Nordfriesland richtig toll. Auf der zweiten Hälfte der Strecke hätte ich die wenigen Autos, die mir begegnet sind, fast an einer Hand abzählen können. Die wenigen kleinen Dörfer liegen so fernab von den Hauptstraßen, dass hier wirklich nur unterwegs ist, wer dort unbedingt lang fahren muss. Und auch bei meiner Pause auf dem Deich konnte ich den Blick schweifen lassen, ohne dass ich in der Nähe auch nur eine Menschenseele hätte sehen können.
Nordseeluft, Einsamkeit und ein Rad unter dem Hintern – besser kann es nicht sein. 🙂