Radel-Tagebuch, 10.12.2021

Ich habe mich lange nicht mehr zu Wort gemeldet. Das hatte zum Glück keinen schlimmen Grund, eher einen erfreulichen: ich habe mich ins Indoor-Trainingslager begeben und trainiere momentan auf einem smarten Trainer.

Mit 650,- € ist das Teil zwar nicht gerade günstig, aber es hat für mich doch viele Vorteile:

Bleib da, wo es kuschelig ist!

Gerade in der vergangenen Saison war ich endlich so weit, dass ich auch bei fieser Kälte draußen meine Runden gedreht habe. Was ich da aber als unangenehm – und gar potenziell gefährlich – wahrgenommen habe: die Kälte belastet den Körper schon ganz ordentlich. Vor allem natürlich, wenn ich nicht mit dem Pedelec, sondern mit dem normalen Rad unterwegs war. Zum einen war ich nicht so leistungsfähig wie an wärmeren Tagen; zum andern hatte ich mir gerade auch bei stärkerer Belastung ein paar Sorgen gemacht. Jetzt trainiere ich zuhause, momentan noch bei geöffnetem Fenster. So ganz optimal ist das noch nicht, dazu nachher noch mehr.

Der smarte Trainer und die junge Dame, die mich immer anfeuern darf

„Nichts ist mächtiger als die Gewohnheit“

Ausnahmsweise bemühe ich hier mal ein Zitat des altrömischen Dichters Ovid. In der letzten Indoor-Saison hatte ich mir ja ein Ergometer gekauft, mit dem ich dann nicht ganz glücklich geworden bin. Es sollte per Bluetooth mit Apps zu koppeln sein. Es stellte sich jedoch heraus, dass es nur mit einigen bestimmten Apps eine dauerhafte Verbindung eingehen wollte. Das war mir zu wenig. Entsprechend war ich nicht ganz unfroh, als ich dank eines technischen Mangels die Möglichkeit hatte, das Gerät an den Hersteller zurück zu schicken.

Was hat es nun mit der Gewohnheit auf sich? Ganz einfach: mit dem Wahoo Kickr Core habe ich mir jetzt einen Smart-Trainer gekauft, in den ich mein normales Straßenfahrrad einspannen kann. Ich sitze also auf meinem üblichen Sattel und kann nun endlich richtig smart meine Runden drehen. Und damit wären wir schon bei dem größten Vorteil:

Apps, gebt mir Apps!

Auch mein neuer Trainer verfügt über eine Bluetooth- und ANT+-Schnittstelle – diesmal aber richtig! Will heißen: endlich kann ich verschiedenste Indoor-Programme nutzen, in denen ich reale Strecken nachfahren kann. Und je nach Position wird nun vollautomatisch der Widerstand so eingestellt, dass ich wirklich das Gefühl habe, einen Anstieg am Berg fahren zu müssen. Ebenso trete ich so ziemlich ins Leere wenn es mal richtig bergab geht. Das „Draußen-Fahrgefühl“ wird so endlich durchaus in den eigenen vier Wänden spürbar.

So viel Auswahl, so wenig Plan…

Schon schön, wenn der smarte Trainer sich mit diversen Apps verbinden lässt. Nur: welche soll’s denn jetzt eigentlich sein? Eins war für mich klar: ich will was auf dem Bildschirm sehen, und zwar Landschaften, die an mir vorbei rauschen. Es gibt auch Apps, mit denen man ganz toll systematische Trainings machen kann, bei denen dann ganz unsexy einfach im Minutentakt ein anderer Widerstand wegzutreten ist. Da gibt’s dann tolle Diagramme, bunte Zahlen etc.

Mir ist aber wichtig, dass ich beim Strampeln wirklich sehe, wie ich mich durch die Landschaft fortbewege. Das schränkt die Auswahl schon mal ein wenig ein. Insgesamt habe ich mir dann drei Apps etwas genauer angeschaut, bin mit jeder mindestens 50 Kilometer gefahren und habe mich nun erst einmal festgelegt. Im Sinne von „Ich habe jetzt erst mal ein Abonnement bei einem Dienst abgeschlossen, das monatlich kündbar ist. Mal sehen wie’s im nächsten Monat aussieht…“

Hier möchte ich Euch kurz meine drei Kandidaten vorstellen und Euch über die Vor- und Nachteile informieren.

Kinomap

Meine erste Wahl fiel auf Kinomap. Hier kann man echte Strecken nachfahren und sogar eigene Strecken mit einbringen. Will heißen: ich habe beispielsweise selbst eine Runde um unseren schönen Maschsee in Hannover beigesteuert. Ich bin also die komplette Strecke abgefahren und habe sie dabei gefilmt. Anschließend habe ich zuhause sowohl das Video als auch die GPS-Aufzeichnung meiner Tour hochgeladen. Nun können andere diese Strecke nachradeln und sehen dabei mein Video von der Fahrt.

Der Vorteil: es gibt unheimlich viele Strecken auf der ganzen Welt, die man erkunden kann. Das ist schon toll: soll es eine bergige Tour durch die Alpen sein oder vielleicht doch erst mal lieber eine ausgiebige Radtour durch das platte Land rund um Amsterdam? Ist klar, für was ich mich entschieden habe, oder? 🙄

Gute 50 Kilometer durch Amsterdam und Umland

Die Nachteile: da diese Filme von vielen Usern beigesteuert werden, ist da oftmals auch Bildmaterial von minderer Qualität am Start. Entweder ruckelt es, weil die Kamera keine Bildstabilisierung hatte oder im schlimmsten Fall stimmt das Video nicht mit der Route überein. Wenn mir auf der Übersichtskarte eine T-Kreuzung angezeigt wird, von der ich im Video aber noch einen Kilometer entfernt bin, dann fördert das nicht gerade die Immersion. Und gerade auch auf meiner Hausstrecke, die ich auch beigesteuert habe, stimmen die An- und Abstiege nicht so wirklich 100%ig.

Gemütliche Fahrt entlang der Amstel

Fazit: wahre Liebe ist es nicht gewesen, aber die Tatsache, dass Kinomap der einzige Dienst ist, bei dem ich relativ unkompliziert eigene Strecken inklusive Film nachfahren kann, hält ihm in meinem Herzen zumindest ein Hintertürchen auf.

Rouvy

In Sachen „Indoor-Training mit abgefilmten Strecken“ gilt das tschechische Rouvy wohl als der Platzhirsch. Auch hier fährt man abgefilmte Strecken nach, während der Smart-Trainer den Widerstand immer an die aktuelle Position anpasst.

Der Vorteil: Im Grund ist es sich sehr ähnlich mit Kinomap, bietet aber einige witzige Ideen. So gibt es diverse Strecken mit sog. „Augmented Reality“. Heißt in diesem Fall: in die abgefilmte Fahrtstrecke werden künstlich Objekte eingeblendet. In der Praxis fährt mal beispielsweise nicht nur über eine Kreuzung, vielmehr sind an den Einmündungen Sperrgitter aufgestellt. Somit hat man das Gefühl, auf einer abgesperrten Rennstrecke zu fahren. Auch im Zielbereich endet ein Video nicht ganz lapidar, sondern man fährt über eine Ziellinie unter einem Torbogen, ganz so wie man es von echten Rennen kennt. Zudem gibt es auf diesen AR-Strecken auch Abschnitte, in denen quasi eine Kamera am Straßenrand steht und zeigt, wie man an ihr vorbei radelt. Nett.

Interessanter finde ich die Tatsache, dass meiner Meinung nach hier die Steigungen wesentlich feiner abgestimmt sind. Während es bei Kinomap einige Passagen gab, an denen minutenlang eine Steigung von beispielsweise 2,3 % an lag, passte sich das bei Rouvy meinem Gefühl nach besser an die örtlichen Begebenheiten an. Kann aber auch nur Einbildung sein…

Der Nachteil: Bei Rouvy scheint es wesentlich schwerer zu sein, eine eigene Strecke einzupflegen. Zwar gab es dafür wohl vor rund 7-8 Jahren mal ein Tools, das seitdem aber nicht aktualisiert wurde. Ich habe es nicht mal zum Laufen bekommen, weil dafür wohl ein Account bei einem Dienst nötig ist, den es anscheinend nicht mehr gibt.

Dadurch, dass das Beitragen so kompliziert (oder vielleicht inzwischen gar unmöglich?!) ist, stehen natürlich auch nicht so viele Strecken zur Auswahl. Mir hätte es sehr gefallen, wenn in so einem Dienst viele Strecken aus meiner Region gelistet wären, die man dann im Sommer ja vielleicht mal „in echt“ fahren kann. Betonung auf „hätte“. Viel ist da nicht. Selbst eine Landeshauptstadt wie Hannover verfügt nicht einmal über eine Handvoll Strecken.

Grundsätzliche Probleme bei Video-Fahrten

Beide bisher genannten Dienste verbindet, dass in ihnen abgefilmte Streckenvideos angezeigt werden. Wie sich das gehört, wenn man schon eine Verbindung zu einem Smart Trainer hat, wird die Geschwindigkeit des Trainers auch auf das Video projiziert. Kurz: wenn ich auf dem Rad schnell fahre, fahre ich auch im Video schnell. Wenn ich auf dem Rad eine Pause mache, hält auch das Video an. So weit, so gut. Aber das führt gleich zu zweierlei Problemen:

  1. Viele Videos wurden offensichtlich von echten Profis hochgeladen, die bei ihrer Fahrt eine ordentliche Geschwindigkeit drauf hatten. Teils habe ich bei Rouvy auch Videos gefunden, die offensichtlich mit einem Auto gefilmt wurden. Wenn diese Videos nun nur mit 24 oder 30 Bildern/Sekunde aufgenommen wurden und man selbst wesentlich langsamer unterwegs ist, ruckelt das Video teilweise schon ziemlich. Man scheint teilweise nur in Zeitlupentempo voran zu kommen.

    Umgekehrt ist es aber auch nicht besser: Videos, die auf einer gemütlichen Radrunde aufgenommen wurden, werden entsprechend beschleunigt. Wenn also jemand die Tour mit 18 km/h gefilmt hat, ich sie aber mit 30 km/h fahre, kommt es zum Zeitraffer. Spaziergänger oder Jogger, denen man auf der Tour dann begegnet, bewegen sich dadurch unnatürlich schnell. Das reißt einen teilweise schon ein wenig raus.
  2. Während man im Video vor Schranken oder roten Ampeln auch mal zum Halt kommt, bewegt sich der Punkt auf der Übersichtskarte natürlich weiter, wenn man auf seinem Indoor-Rad weiter strampelt. Wie lösen die Programme das Problem? Ganz einfach: sobald sich im Video das Rad wieder in Bewegung setzt, gibt es eine wahre „Aufholjagd“. Denn nun versucht der Film wieder zu dem Punkt auf der Karte aufzuschließen, an dem man selbst bereits ist. Ist das verständlich? Ich hoffe. Auf jeden Fall sieht das in der Praxis dann so aus, dass man auf dem Trainer weiter in die Pedale tritt, während man im Video an der Schranke warten muss. Und sobald die Schranke wieder oben ist, fetzt das Video mit einem Affenzahn los, um wieder synchron zum GPS-Track zu laufen. Auch nicht gerade so gut für die Immersion.

Es zeigt sich also: abgefilmte Strecken haben so ihre Tücken. Dass man überdies noch eine recht gute Internet-Verbindung braucht, damit die Strecken in guter Qualität und ohne Zwischenbuffern abgespielt werden, kommt noch hinzu. Deswegen habe ich mich jetzt erst mal für einen anderen Kandidaten entschieden…

Radelst Du noch oder zwiftest Du schon?

Zwift kann man sicherlich als den Star des Indoor Trainings bezeichnen. Kein anderer Dienst scheint so viele SportlerInnen zu begeistern. Also habe auch ich mal mein Glück probiert und bisher gefällt es mir ganz gut.

Im Gegensatz zu Kinomap oder Rouvy sieht man hier keine echten Videos, sondern computergenerierte Landschaften wie in einem Computerspiel. Der Vorteil ist klar: während bei den anderen das Bild entweder irgendwann ruckelt, weil man zu lahm ist oder alles wie im Zeitraffer passiert (s. o.), berechnet Zwift die Bewegungen der Landschaft hier selbst anhand der aktuellen Geschwindigkeit. Ich würde jetzt nicht unbedingt sagen, dass das alles immer butterweich ist, aber auf jeden Fall hat man damit diese beiden Probleme ausgeschaltet.

Zwar fehlen mir hier ein wenig die echten Strecken, aber immerhin gibt es in Zwift verschiedene Szenarios, die echten Landschaften oder Städten nachempfunden sind. So kann man beispielsweise schön durch London oder Innsbruck radeln. Für jedes Szenario gibt es verschiedene Strecken, die sich in ihrer Länge und den vorhandenen Höhenmetern unterscheiden. So kann jeder genau die Strecke heraussuchen, auf die er gerade Lust hat.

Wer hätte gedacht, dass ich jemals im Windschatten eines Fahrers fahren würde, der gerade irgendwo in Japan auf seinem Rad sitzt? Verrücktes Internet…

Die Vorteile: Auf den Strecken kann man interaktiv eingreifen. Hin und wieder fragt Zwift während der Tour, in welche Richtung man abbiegen will. So kommt beispielsweise am Piccadilly Circus die Frage, ob es von hier zum Buckingham Palace oder zum Big Ben gehen soll. Nur eines ist klar: wer sich hier gegen die voreingestellte Richtung entscheidet, weicht von der vorab geplanten Route ab.

In Zwift gibt es einige Elemente, die dem ganzen einen gewissen Spiel-Charakter geben. So kann man an verschiedenen Stellen Power-Ups bekommen, die einem für einige Sekunden leichte Vorteile bringen. Dafür kann ich mich (noch) nicht wirklich erwärmen. Was ich aber toll finde ist die Tatsache, dass man wirklich im Windschatten von anderen Fahrern fahren kann. Man merkt tatsächlich, dass man dann etwas weniger stark in die Pedale treten muss.

Hinzu kommt der soziale Gedanke: wie bei einem sozialen Netzwerk kann man auch hier anderen Radlern folgen (sie also in eine Freundesliste aufnehmen) oder gar ein Meet-Up mit „geladenen Gästen“ planen. Eine Ausfahrt mit Freunden etwa. Ich für meinen Teil werde dieses Feature in der kommenden Woche das erste Mal ausprobieren, wenn einer meiner Lieblings-Podcasts zum Thema Radfahren zu seiner Weihnachtsfeier einlädt. Dann heißt es: gemeinsam mit vermutlich mehr als 500 Hörerinnen und Hörern 70 Kilometer auf dem Bock sitzen. Mit Hilfe von Discord wird dann auch miteinander geredet. Ich bin gespannt!

Erste Erfahrungen aus dem Indoor-Training

Das größte Problem macht natürlich wieder mal die Technik. Zwar ist mein Fernseher sowohl mit Chromecast als auch mit einem Fire TV-Stick von Amazon ausgestattet; so richtig lupenrein läuft das mit der Übertragung aber immer noch nicht. Die Apps bieten teils keine Unterstützung für den Chromecast (da geht dann nur das direkte Übertragen des Handybildschirms) und auch die AirPlay-App auf dem Fire-TV schmeißt ab und an das iPad aus der Übertragung. Das ist natürlich dann ganz besonders ärgerlich, wenn man auf dem Rad gerade einen Lauf hat und sowas gerade gar nicht gebrauchen kann. Aber grundsätzlich funktioniert das inzwischen relativ gut.

Cool down, Junge!

Eigentlich denkt man ja: wenn man schon drinnen trainiert, dann mach doch wenigstens das Fenster auf! Grundsätzlich ja keine schlechte Idee, schließlich soll das Ankleidezimmer der Zukünftigen, in dem der Trainer steht, ja nicht binnen kürzester Zeit nach Pumakäfig riechen. Problem: wenn man durch das Training klitschnass ist, zieht die Kleidung förmlich die Kälte von draußen an. Beim Fahren selbst merkt man das nicht so, aber sobald man absteigt und noch ein paar Minuten zur Ruhe kommen will, bevor es unter die Dusche geht, wird es eiskalt am Körper. Also musste da eine Lösung her – eine Lösung, über die ich bisher eigentlich immer den Kopf geschüttelt habe…

Ein Ventilator! Yay! Aber nicht irgendeiner. Weder möchte ich einen, der dauernd von links nach rechts schwenkt und so immer nur intervallweise kühle Luft bring – und erst recht keinen, der mir die ganze Zeit penetrant ins Gesicht pustet. Und auch wenn ich über das Gerät bisher immer den Kopf geschüttelt habe, bin ich nun der Überzeugung, dass der Wahoo Kickr Headwind genau das ist, was ich gerade brauche.

Dabei handelt es sich um einen Ventilator, der auf dem Fußboden vor dem Rad aufgestellt wird. Dieser wird dann mit dem anderen technischen Equipment verbunden. Die Stärke des Windzugs wird dann – mehr oder weniger – „smart“ gesteuert. Entweder über die Herzfrequenz oder über den Geschwindigkeitssensor. Heißt: wenn der Puls in die Höhe geht, kann der Headwind sekundenschnell für passende Abkühlung sorgen. Oder man stellt ihn so ein, dass er einem bei einer schnellen Bergabfahrt so richtig ins Gesicht pustet. Ja, man kann sagen, das sei Chi-Chi, das keiner braucht. Aber: so kann ich für Abkühlung sorgen und bei Minusgraden das Fenster erst mal geschlossen halten. Und sowieso ist ein simulierter Fahrtwind sicher ganz gut, um vielleicht die Tour noch ein wenig erträglicher zu machen.

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